Jesus der Quer-Denker
In diesem Jahr spendet mir die österliche Formel „Christus ist auferstanden“ keinen Trost und keine Hoffnung. Ich will meine Hilflosigkeit angesichts der jetzigen Entwicklungen in der Welt nicht mit einem netten „Alles wird gut“ übertünchen.
Inspiriert durch einen Artikel (https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1178501495941125&id=100013438569001) sehe ich Jesus als einen unbequemen Querdenker, der einen Menschen wichtiger nahm als das Gesetz, für den das menschliche Leben einen bedingungslosen Wert hatte, der nicht bereit war, einen Menschen einer – vermeintlich guten – Ideologie zuliebe zu opfern. Nach Ironie des Schicksals wurde er selbst geopfert, weil das vom Machthaber definierte Gesetz als absolut galt. Warum? Weil das einzige unbewusste Ziel der damaligen wie der heutigen Machthaber nur eins war und ist: Absolute Macht und Machterhalt um jeden Preis.
Deshalb werden Regelbrecher und Systemverweigerer wie Jesus bis heute als Feinde bekämpft, gequält, gedemütigt, verfolgt, verdrängt und getötet.
Warum spielten und spielen Menschen da mit, frage ich mich.
Zum einen sind es, denke ich mir, Rationalisierungen wie „Es ist absolut notwendig, x oder y zu tun“. Diese Rationalisierungen verdecken echte unbewusste Motive. Und wenn etwas schief geht, wird prompt eine neue Rationalisierung ausgedacht, wie damals mit Jesus. „Sein Leid hat uns alle erlöst und deshalb war es absolut notwendig und von Gott gewollt“. So konnte ein bestialisch-sadistischer Mord an ihm sogar als Fest der Hoffnung etabliert werden.. So konnte sich des kollektiven Versagens entledigt werden, um weiterzumachen wie bisher.
Gott war schon lange eine beliebte Projektionsfläche für menschliche Ver-rücktheiten und Widersprüche..
Zum anderen sind viele Menschen allzu sehr in ihre Rollen verliebt. Z.B. Rolle des Helfers. Rolle des Fleißigen. Rolle des Guten Hirten. Rolle des Opferbringers. Rolle des Weltretters. Rolle des Klimaretters. Rolle des Experten. Weist man ihnen im Weltspektakel eine wichtige Rolle zu, so stürzen sie sich in sie Kopf über Fuß und fühlen sich geschmeichelt und selbstsicher.
Selbst-Entfremdung passiert wohl gerade dann besonders schnell, wenn eine erfolgreich gespielte Rolle einen schnellen Erfolg sichert.
Jesus hingegen ist für mich ein Vorbild der Selbst-Findung jenseits der definierten Rollen und Funktionen, Ideen und Ideale.
Selbst-Findung ist, wie ich es jetzt verstehe, ein nach-Hause-Kommen des Geistes in den eigenen Körper, eine Verwurzelung in der Erde und sich Ausrichten in den Himmel. Es ist das Hören auf eine Stimme aus dem eigenen Inneren statt Zugehörigkeit und Hörigkeit nach außen. Es ist ein unspektarukäres In-sich-Hineinfühlen und danach Handeln statt Rationalisieren und Funktionieren nach dem neuesten Trend.
Doch durch allerlei Bestrafungen, Maßregelungen, Gewaltandrohungen und Ängste wird der Mensch von Sich-selbst-Wiederfinden abgehalten. Das ist logisch, denn nur ein psychisch gespaltener, von seinem Körperempfinden und seinen Gefühlen abgetrennter – und damit gekränkter und kranker – Mensch lässt sich aus seiner Verwirrung heraus, scheinbar freiwillig, vor den Karren eines fremden Zwecks einspannen.
Wie noch zu Zeiten von Jesus wird die Treue zu sich selbst nicht belohnt, sondern im besten Fall geduldet und im schlimmsten Fall mit dem Tode bestraft.